Das problemzentrierte Interview mit Beispielen

Das problemzentrierte Interview gehört zu den qualitativen wissenschaftlichen Forschungsmethoden.

Es dient dazu, die Erfahrungen und subjektiven Wahrnehmungen der Befragten zu einem bestimmten Problemkomplex bzw. Thema zu erfassen, das du in deiner Abschlussarbeit behandelst.

Das problemzentrierte Interview ist in 3 Phasen unterteilt:

  1. Gesprächseröffnung
  2. Verständnissicherung und Rückfragen
  3. Ad-hoc-Fragen

Definition problemzentriertes Interview

Mit einem problemzentrierten Interview sollen die subjektiven Wahrnehmungen und Erfahrungen der Befragten zu einem bestimmten Problemkomplex herausgestellt werden. Entwickelt wurde es von Andreas Witzel.

Im problemzentrierten Interview werden zunächst offene Fragen gestellt, damit die Befragten ihre Erfahrungen möglichst frei erzählen können.

Dennoch ist das problemzentrierte Interview auf die Untersuchung einer bestimmten Problemstellung ausgelegt, auf die die interviewende Person bei Bedarf durch gezielte Fragen immer wieder zurückführen kann. Es kann daher zu den halbstrukturierten Interviews gezählt werden.

Aufgrund der Flexibilität in der Durchführung und der Offenheit der Fragen, ist das problemzentrierte Interview Teil der qualitativen Interviews.

Problemzentriertes Interview und narratives Interview

Sowohl beim narrativen Interview als auch beim problemzentrierten Interview steht die freie Erzählung der Befragten im Vordergrund. Bei einem narrativen Interview stehen biographische Erfahrungen der Befragten, beim problemzentrierten Interview eine konkrete Problemstellung im Vordergrund.

Wir haben die die wichtigsten Unterschiede in einer Tabelle zusammengestellt.

Problemzentriertes vs. narratives Interview
Problemzentriertes Interview Narratives Interview
Unterbrechungen durch die interviewende Person erlaubt und gewünscht. Keine Unterbrechungen während der Erzählphase der Befragten erlaubt, Rückfragen nur in der Nachfragephase.
Stärkere Strukturierung des Gesprächs. Weniger starke Strukturierung.
Deduktives und induktives Vorgehen: Du erarbeitest dir ein theoretisches Vorverständnis. Durch die Schilderungen der Befragten ist es möglich, neue Hypothesen in Bezug auf die untersuchte Problemstellung aufzustellen. Induktives Vorgehen: Du nutzt das Interview als Grundlage, um aus den Erzählungen der Befragten neue Hypothesen abzuleiten.
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Aufbau eines problemzentrierten Interviews

Das problemzentrierte Interview gliedert sich in 3 Phasen:

  1. Gesprächseröffnung
  2. Verständnissicherung und Rückfragen
  3. Ad-hoc-Fragen

1. Gesprächseröffnung

Zu Beginn des problemzentrierten Interviews wird kurz in die Problemstellung eingeführt.

Im Anschluss wird eine offene Einstiegsfrage gestellt bzw. eine Erzählaufforderung gegeben. Auf diese Weise soll den Befragten die Möglichkeit gegeben werden, dort mit der Erzählung zu beginnen, wo sie möchten.

Dieser Teil des Interviews ähnelt dem narrativen Interview stark.

Beispiel Einführung und Einstiegsfrage
In meiner Abschlussarbeit beschäftige ich mich mit der fairen Bezahlung in verschiedenen Berufsgruppen.

Du planst eine Ausbildung als Friseurin. Magst du erzählen, aus welchen Gründen du dich dafür entschieden hast?

2. Verständnissicherung und Rückfragen

Nachdem die befragte Person ihre Schilderung beendet hat, kannst du als interviewende Person konkrete Nachfragen stellen.

Das Ziel ist es, die subjektiven Darstellungen der Befragten in Bezug auf die Problemstellung nachzuvollziehen und Unklarheiten zu beseitigen. Es bieten sich für die Forschenden 3 Arten an,  dies zu tun.

Varianten der Verständnissicherung
Zurückspiegelung: Bei der Zurückspiegelung geben die Interviewenden in eigenen Worten die Ausführungen der Befragten wieder und bieten ihnen somit die Möglichkeit, die Interpretationen zu korrigieren oder zu modifizieren.

Beispiel: Deine Äußerung habe ich gerade folgendermaßen verstanden: XY. Gibt es hier noch etwas, was du hinzufügen möchtest?

Verständnisfragen: Die Forschenden können Verständnisfragen stellen, sollte etwas unklar sein. Es ist auch möglich, über Verständnisfragen das Problemfeld stärker einzugrenzen.

Beispiele: Du hast gerade von XY gesprochen. Wie war der Ablauf hier im Einzelnen? In Bezug auf XY habe ich noch eine Frage, da der Zusammenhang zur Problemstellung für mich noch nicht ganz klar ist. Magst du hier noch etwas konkreter werden?

Konfrontation: Bei der Konfrontation können die Befragten direkt auf vermeintliche Widersprüche angesprochen werden, die sie während des Interviews geäußert haben. Ähnlich wie bei Verständnisfragen werden sie gebeten, ihre Sichtweise noch einmal zu erklären.

Beispiel: Deine Schilderung von XY hat sich für mich widersprüchlich angehört. Magst du mir hier deine Sichtweise noch einmal erklären?

Beachte
Wichtig ist, dass alle 3 Arten der Rückfragen in die Interviewsituation integriert sind. Die interviewende Person muss für eine gute Gesprächsatmosphäre sorgen und auch bei kritischen Rückfragen immer das inhaltliche Interesse deutlich machen.

3. Ad-hoc-Fragen

Bei den Ad-hoc-Fragen handelt es sich um vorab vorbereitete Fragen durch die interviewende Person. Auch aus diesem Grund gilt das problemzentrierte Interview als halbstrukturiertes Interview.

Ad-hoc-Fragen sind all jene Fragen, die der forschenden Person für die Untersuchung zentral erscheinen. Sie beziehen sich auf die konkrete Problemstellung, die innerhalb des Interviews behandelt wird.

Die Fragen, die innerhalb der ersten beiden Phasen nicht geklärt werden, können dann in dieser Phase gestellt werden, um die Kommunikationssituation in den ersten beiden Phasen nicht unnötig zu stören.

Mithilfe von Ad-hoc-Fragen ist es auch möglich, Vergleichbarkeit zwischen Interviews herzustellen, sollten mehrere Interviews zu einem identischen Thema durchgeführt werden.

Beispiel
Was denkst du, sind die Löhne der verschiedenen Berufsgruppen in Deutschland gerecht?

Leitfaden für dein problemzentriertes Interview

Im Folgenden zeigen wir dir ein mögliches Beispiel für einen Leitfaden für ein problemzentriertes Interview.

Du entscheidest dich, ein problemzentriertes Interview im Bereich ‘Gesellschaftliche Einflussfaktoren auf die Berufswahl’ durchzuführen. Hier ist die Erstellung eines groben Leitfadens für dein Interview sinnvoll, denn das problemzentrierte Interview gehört zu den semistrukturierten Interviews.

Beispiel Leitfaden problemzentriertes Interview
Interviewphase/Frageart Beispielformulierung
Begrüßung/Einstieg Hallo, herzlich Willkommen. Mein Name ist XY.

Gerne möchte ich Dich heute zu folgendem Thema befragen: Persönliche Einflussfaktoren auf die Berufswahl.

Einleitung der Erzählphase Magst Du mir erzählen, warum du dich für den Beruf XY entschieden hast/entscheiden wirst?
Nachfragen/Rückfragen

… sind erst erlaubt, wenn die Person ihre Erzählung beendet hat und ergeben sich meist spontan.

Danke für deine Erzählung.

Besonders den Aspekt XY fand ich interessant, magst du mir hier noch etwas mehr schildern?

Der Aspekt XY ist mir noch nicht ganz klar geworden, kannst du mir diesen noch einmal erklären?

Ad-Hoc-Fragen

… sind vorbereitete Fragen durch die interviewende Person und haben meist einen konkreten Bezug zur Forschungsfrage.

Nachdem du mir deine Erfahrungen geschildert hast, habe ich noch einige Fragen für dich vorbereitet.

  1. Glaubst du, dass eine Ausbildung oder ein Studium besser ist?
  2. Welche Rolle spielt der finanzielle Faktor für deine Berufswahl?
  3. Welchen Einfluss hat die Meinung von anderen Leuten auf deine Berufswahl?
Abschluss Ich danke Dir für die Zeit, die du dir für das Interview genommen hast. Hast Du noch Fragen?

Auswertung des problemzentrierten Interviews

Für die Auswertung eines problemzentrierten Interviews gibt es keine strikten Vorgaben.

Es bietet sich an, ein problemzentriertes Interview zunächst zu transkribieren. Mithilfe des Transkripts kannst du das Interview im Anschluss kodieren und dann in verschiedene inhaltliche Kategorien unterteilen.

Zur Auswertung des Experteninterviews

Auch Andreas Witzel schlägt für die Auswertung zunächst Einzelanalysen der durchgeführten problemzentrierten Interviews vor. Sollten mehrere Interviews durchgeführt worden sein, kannst du diese anhand der gebildeten Kategorien miteinander vergleichen.

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Häufig gestellte Fragen

Was ist ein problemzentriertes Interview?

Das problemzentrierte Interview gehört zu den qualitativen Forschungsmethoden. Es dient dazu, die Erfahrungen der Befragten zu einem bestimmten Thema bzw. einer Problemstellung zu erfassen, die du in deiner Abschlussarbeit behandelst.

Es werden zunächst offene Fragen gestellt, damit die Befragten ihre Erfahrungen möglichst frei erzählen können.

Dennoch ist das problemzentrierte Interview auf die Untersuchung einer bestimmten Problemstellung ausgerichtet, auf die die interviewende Person bei Bedarf immer wieder zurückführen kann. Es kann daher zu den halbstrukturierten Interviews gezählt werden.

Wie ist der Ablauf eines problemzentrierten Interviews?

Das problemzentrierte Interview gliedert sich in 3 Phasen:

  1. Gesprächseröffnung
  2. Verständnissicherung und Rückfragen
  3. Ad-hoc-Fragen
Wie unterschieden sich das problemzentrierte Interview und das narrative Interview?

Sowohl beim problemzentrierten Interview als auch beim narrativen Interview steht die freie Erzählung der Befragten im Vordergrund.

Im problemzentrierten Interview kann die interviewende Person das Gespräch aber immer wieder zur untersuchten Problem- oder Fragestellung zurückführen. Anders als im narrativen Interview sind Unterbrechungen durch die interviewende Person erlaubt und gewünscht.

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Genau, L. (2023, 20. März). Das problemzentrierte Interview mit Beispielen. Scribbr. Abgerufen am 21. November 2024, von https://www.scribbr.at/methodik-at/problemzentriertes-interview/

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Lea Genau

Hi, ich bin Lea und mache momentan meinen Master in neuer deutscher Literatur an der Fernuniversität Hagen. Besonders viel Freude macht es mir meine Erfahrungen in Artikeln mit anderen Studierenden zu teilen und diesen somit auf dem Weg zu ihrem Abschluss zu helfen.